Fachsprache in Vorträgen und Präsentationen an die Zielgruppe anpassen

Was ist Fachsprache? Die erste Definition stammt von Wikipedia:

„Fachsprache ist die zu einem Fachgebiet gehörende Sprache, die vor allem durch den Gebrauch besonderer Ausdrücke (Termini) gekennzeichnet ist.“

Definition zwei stammt von der Universität Wien (Linguistische Vorlesung, Franz Patocka):

Reden Lernen Buch Ronny Marx

„Fachsprache ist eine Sonderform, die für Nicht-Fachleute eine Barriere aufbauen. Sie dringt weit ins Alltagsleben ein, ohne dass wir es bemerken. Der Fachwortschatz macht die Fachsprache aus.“

Reduzieren wir die beiden Definitionen auf das Wesentliche: „besondere Ausdrücke“ und „Barriere für Nicht-Fachleute“. Verstehst du, worauf ich hinaus will? Es geht um dich als Experten auf der Bühne und um die Verständlichkeit deiner Inhalte im Vortrag. Ein Fehler, den ich bei Fachvorträgen vor vermeintlichem Fachpublikum schon oft erlebt habe, ist, dass die Vortragenden bei ihren Zuhörern Fachwissen voraussetzen. Selbst bei Fachkonferenzen mit gemischtem Publikum kann man nie sicher sein, dass einen alle verstehen, wenn man auf der Bühne im Fachjargon referiert. Natürlich klingt es „schön“ professionell, wenn man mit möglichst vielen Fachbegriffen um sich wirft, die möglichst kompliziert und bedeutungsschwanger klingen. Vor allem Abkürzungen sind eine häufige Stolperfalle, die schnell eine „Barriere“ zwischen dir und deinem Publikum aufbauen können. Und genau das willst du auf keinen Fall: Eine Kommunikationsbarriere. (Lesetipp: Die Kunst effektiver Kommunikation: Ein Leitfaden für erfolgreiche Rhetorik) Du brauchst das richtige Maß an Nähe und professioneller Distanz zwischen dir und deinem Gegenüber. Ungefilterte Fachsprache und unerklärte Abkürzungen kannst du nur in den seltensten Fällen verwenden. Wenn du zum Beispiel ein Projekt vor 10 Kollegen aus deiner Fachabteilung präsentierst, die an ganz ähnlichen Dingen arbeiten, kann die reine Fachsprache vielleicht funktionieren. Ist aber auch nur ein Mensch mit einer anderen „Flughöhe“ im Raum, verlierst du möglicherweise einen deiner wichtigsten Zuhörer. Trotzdem solltest du nicht in eine zu einfache Sprache wechseln, denn das könnte dein Publikum langweilen und unterfordern.

Schauen wir uns gemeinsam zwei Beispiele für die Verwendung von Fachsprache an.

„Die letzte Ad-Campaign hat sehr gut konvertiert. Die CTR konnte um 20% gesteigert werden, wodurch auch die CVR gepusht wurde. Die Umstellung von TKP auf CPC hat unseren Adspend um 30% reduziert und vor allem die Verwendung von exakten Longtails hat uns auch bei den SEO-Rankings geholfen.“

Eigentlich möchte man mit dieser Aussage nur ein sehr positives Ergebnis einer Werbekampagne im Online-Marketing darstellen. Aber wenn du nicht gerade ein echter Experte auf dem Gebiet bist, hättest du bei einem Vortrag wahrscheinlich spätestens beim zweiten Satz abgeschaltet. Formulieren wir also um:

„Die letzte Werbekampagne war ein voller Erfolg. Die Klickrate der einzelnen Anzeigen ist um 20% gestiegen. Durch die Umstellung des Abrechnungsmodells von der Anzahl der Einblendungen auf die Gesamtzahl der Klicks konnten wir unsere Kosten um 30% senken. Vor allem die Verwendung exakter Suchbegriffe hat uns auch bei den organischen Suchergebnissen sehr geholfen“.

Die ganze Aussage ist kaum länger geworden, aber jetzt für fast jeden sehr verständlich. Auch wenn ich kein Werbeprofi bin, fühle ich mich jetzt nicht völlig verloren und verstehe zumindest grundsätzlich, was und warum dort so erfolgreich war. Auch das fachlich sehr versierte Publikum wird noch ausreichend abgeholt, so dass der kommunikative Spagat gut gelingt.

„Im Audi RS6 arbeitet ein V8 mit Benzindirekteinspritzung und Abgasturboaufladung mit Overboost-Funktion. Die 8-Gang-Tiptronic verfügt über einen hydraulischen Drehmomentwandler mit Überbrückungskupplung. Für Sicherheit sorgen das luftgefederte DRC-Fahrwerk und die Diagonal-Zweikreis-Bremsanlage mit innenbelüfteten Scheiben.“

Alles klar? Nein? Dann formulieren wir es noch einmal um:

„Im neuen Audi RS 6 Avant steckt Vieles: Begeisternde Kraft, beeindruckende Attraktivität und die intelligente Audi Leichtbautechnologie. Denn ein leichteres Fahrzeug ist ein agileres Fahrzeug. Wie viel mehr Fahrspaß Sie dadurch haben, lässt sich in Zahlen nicht ausdrücken. Aber in Emotionen. Erleben Sie den neuen Audi RS 6 Avant.“ (Zitat audi.de)

Selbst wenn ich keine Ahnung von Autos hätte, würde ich mit der letzten Aussage sehr gut leben können. Hier passiert etwas anderes. Ich habe vorhin erwähnt, dass zu einfache Sprache das Publikum genauso verwirren kann wie reines Fachkauderwelsch. Bei meinen Vorträgen kommt es immer wieder vor, dass ich mir vorher nie ganz sicher bin, wie tief ich fachlich eintauchen kann oder wie oberflächlich ich bleiben muss, ohne die Zuhörer zu langweilen oder zu überfordern. Dann greife ich auf einen Trick zurück, den auch Audi hier angewendet hat: Leidenschaft und Emotionen. Übersetze deine Inhalte in leidenschaftliche und emotionale Aussagen. So stellst du sicher, dass sowohl Fachleute als auch fachfremde Zuhörer berührt werden. Noch knackiger könnte deine Aussage im Fall „Audi“ von eben ausfallen:

„Kraft, Agilität, Fahrspaß… das ist der Audi RS6!“ Wenn überwiegend männliche Autofans im Publikum sitzen, zeigst du zu dieser Aussage eine Folie mit nur drei Zahlen: 560, 3,9, 305. Nachdem du erklärt hast, was das Auto alles kann und warum es so toll ist, kommst du auf die Zahlen deiner Folie zurück: „560 PS, von 0 auf 100 in 3,9 Sekunden und 305 km/h Höchstgeschwindigkeit“.

So machst du aus einer technisch langweiligen und überfordernden Aussage eine emotionale, die Aufmerksamkeit erregt.

Soziolekte in Vorträgen und Präsentationen teilweise erlaubt

Jede Person ist in der Regel in Gruppen von Menschen eingebettet, die wiederum einem bestimmten Sprachmuster folgen: Den sogenannten Soziolekten. Je nach Alter, Geschlecht, Beruf und Spezialisierung gibt es einfach ein bestimmtes Vokabular, das sich innerhalb dieser Gruppen feststellen lässt. Jugendliche unter sich sprechen ganz anders miteinander als eine Gruppe von Müttern, eine Gruppe von Fußballfans, eine Gruppe von Bauarbeitern, eine Gruppe von Rechtsanwälten und so weiter. Wortwahl, Betonung und sogar die Sprechfrequenz bestimmen den Soziolekt innerhalb einer Gruppe. Da wir in unserem privaten und beruflichen Alltag mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun haben, ist es nicht ungewöhnlich, dass wir in ebenso unterschiedlichen Soziolekten sprechen. Ist dir schon einmal aufgefallen, wie sich Stimmlage und Wortwahl ändern, wenn dein Kollege mit seiner Frau, seinem Vorgesetzten und dann mit seinem Freund telefoniert? Er spricht mit ihnen in verschiedenen Soziolekten und passt sich so an.

Auch bei Vorträgen kannst und solltest du deine Sprache anpassen. Je nachdem, ob du vor einer Gruppe von Studenten, Managern oder Arbeitskollegen sprichst, kann eine dezente Variation deines Soziolekts zu einer besseren Akzeptanz bei deinen Zuhörern führen. Hier ist allerdings Fingerspitzengefühl gefragt, denn wenn du es übertreibst oder offensichtlich schauspielerst, verlierst du deine Glaubwürdigkeit und damit die Aufmerksamkeit des Publikums. Wenn man zum Beispiel als 51 Jahre alter Abteilungsleiter vor einer Gruppe von 16 Jahre alten Schülern steht und sagt: „Jo man, wenn ihr euch mal die krassen Zahlen reinzieht… einfach mega, oder? Läuft bei uns!“ Wenn man nicht gerade CEO von Spotify, Netflix oder Snapchat ist, ist diese Aussage an Unglaubwürdigkeit und Lächerlichkeit nicht zu übertreffen. Derselbe Redner, dasselbe Publikum: „Meine Damen und Herren, wie Sie an diesem Chart zweifellos erkennen können, ist unsere Bilanz überaus positiv.“ Spätestens beim nächsten Satz werden die ersten Augen der jungen Zuhörer glasig und die Lider schwer. Kommt dann noch ein Hauch der bei Geschäftspräsentationen üblichen stimmlichen Monotonie hinzu, ist dir maximales Desinteresse sicher. Versuchen wir es noch einmal: „Stellt euch vor, ihr bekommt als Chef diese genialen Zahlen auf den Tisch. Umsatz gestiegen, Gewinn gestiegen… neuer Porsche bestellt.“ Ein bisschen Lockerheit, ein bisschen Witz: Auch das ist Soziolekt. Die sprachlichen und rhetorischen Stellschrauben müssen vor jedem Vortrag fein justiert werden. Wichtig ist, sich nicht komplett zu verstellen und dem Publikum eine Show vorzuspielen, denn das wird in der Regel schnell durchschaut und man macht sich unnötig lächerlich. Zum Thema Authentizität kommen wir später, aber an dieser Stelle sei gesagt: Passe deinen Soziolekt an, aber bleibe du selbst. Oft reicht es schon, die Anrede von „Sie“ auf „Du“ zu ändern und von einer berichtenden zu einer erzählenden Sprache zu wechseln. Denn auch bei Soziolekten gilt: Kenne dein Publikum.

Fachsprache entsprechend der Zielgrupper immer in Maßen verwenden

Ähnlich wie bei den Soziolekten sollten auch Fachbegriffe mit Maß und an der richtigen Stelle verwendet werden. In der richtigen Dosierung unterstreichen Fachbegriffe die eigene Kompetenz und helfen, ohne langes Umschweifen auf den Punkt zu kommen. In Vorträgen erlebe ich jedoch immer wieder zwei Szenarien, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

  1. Exzessive Fachsprache führt zur Ermüdung der Zuhörer
  2. Künstliche Fachsprache macht dich unglaubwürdig

Als Vortragender erhält man vom Publikum einen gewissen Vorschuss an Vertrauen, Respekt und Glaubwürdigkeit. Aus Sicht der Zuhörer wird sich niemand auf die Bühne stellen und einen Vortrag halten, der keine Ahnung von seinem Thema hat. Wer nun aber ein Feuerwerk an Abkürzungen und Fachbegriffen von der Leine lässt, kann nur verlieren. Selbst unter rein fachlich orientierten Kollegen ist es einfach ermüdend, immer wieder mit der eigenen Fachsprache konfrontiert zu werden. Die Aufmerksamkeit sinkt und das ist pures Gift für dich als Vortragenden.

Ich habe auch schon oft erlebt, dass Referenten versucht haben, ihre Unsicherheit mit möglichst vielen Fachausdrücken zu kaschieren. Auch das geht meist nach hinten los, es sei denn, dein Publikum ist noch ahnungsloser als du selbst. Aber eines kann ich dir garantieren. In jedem Workshop, jedem Seminar, jeder Präsentation, jedem Meeting und jeder Konferenz gibt es ihn: Den einen Klugscheißer. Er wartet nur darauf, dich herauszufordern, dich zu provozieren, dich bloßzustellen. Verwende daher Fachbegriffe, Abkürzungen und Diagramme nur, wenn du sie verinnerlicht hast und genau erklären kannst.

Es kann durchaus Sinn ergeben, in Vorträgen fachlich zu werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es um komplexe Zusammenhänge geht und beim Publikum ein Grundverständnis vorausgesetzt werden kann. Eine zu blumige Sprache ohne jegliche Fachlichkeit kann manchmal auch nach hinten losgehen. Fachsprache muss aber nicht automatisch „schlecht“ sein, denn sie kann Objektivität und Neutralität ausdrücken. Fachsprache kann jedoch eine gewisse Distanz zwischen dir und deinem Publikum schaffen, und genau das solltest du bei jedem Vortrag vermeiden. Ein Vortrag sollte dich und deine Zuhörer verbinden. Es geht also darum, die richtige Balance zwischen fachlicher Tiefe und blumiger Erzählung zu finden.

Ich habe mir einmal eine Faustformel zurechtgelegt: 20% Fachlichkeit + 30% Beispiele & Fakten + 50% Emotion = 100% Aufmerksamkeit. Betrachte die Inhalte deiner Folien kritisch: Kann der eine oder andere Fachbegriff vielleicht durch eine emotionale Aussage ersetzt werden? Kann die Abkürzung vielleicht generell weggelassen werden? Braucht deine Grafik eine genauere Erklärung? Kannst du bei kritischen Nachfragen wirklich alles genau erklären? Die Erfahrung zeigt, dass emotionale und weniger technische Vorträge viel besser ankommen und die vermittelten Informationen auch viel besser behalten werden.

Fazit: Deine Zielgruppe ist der Schlüssel

Jeder Vortrag und jedes Publikum ist anders. Deine sprachliche Ausrichtung sollte sich dementsprechend anpassen und eine gute Balance zwischen fachlicher Tiefe und emotionaler Oberflächlichkeit finden. Vermeide vor allem eine häufige Aneinanderreihung von Abkürzungen und Fachausdrücken, denn selbst ein fachkundiges Publikum kann davon schnell gelangweilt werden und den Bezug zu dir als Vortragenden verlieren oder gar nicht erst aufbauen.

Versetze dich in die Lage deines Publikums: Wie kannst du es am besten erreichen? Wie viel Fachchinesisch ist nötig und wie musst du deinen Soziolekt anpassen, um die Menschen im Publikum am besten zu erreichen? Wenn du zu sehr an der Oberfläche kratzt, verfehlt das die Gesamtwirkung deines Vortrags ebenso wie zu viele Fachbegriffe. Meine Faustregel 20% Fachlichkeit + 30% Fakten + 50% Emotionen kann dir eine gute Orientierung geben. Natürlich ist das kein striktes Dogma und sollte an das jeweilige Publikum angepasst werden.

Besonders wichtig bei Vorträgen und Präsentationen: Bleibe authentisch.

Sich kommunikativ dem Publikum anzupassen heißt nicht automatisch, sich sprachlich völlig zu verbiegen. Das wirkt oft sehr unnatürlich und damit unglaubwürdig. Ein hohes Maß an Aufmerksamkeit ist dir sicher, wenn du deinen Wortschatz, deinen Sprachstil und deinen Redefluss dem Publikum anpasst. Sei dir im Vorfeld darüber im Klaren, vor wem du sprichst: Sind es die „jungen Wilden“, ein Auditorium von fachlich versierten Personen oder ein Kreis von vertrauten Kolleginnen und Kollegen, Freunden oder Verwandten? Manchmal ist mehr fachliche Expertise gefragt, manchmal mehr emotionale Kommunikation. Die ideale Mischung wird dir vielleicht nicht auf Anhieb gelingen, aber lass dich davon nicht entmutigen. Mit jedem Vortrag vor anderen Menschen wirst du sukzessive besser und kannst deinen Kommunikationsstil anpassen. Denke immer daran: Die Zielgruppe zu erreichen ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Vortrag.