Dass Steve Jobs, was immer man von ihm als Person, Unternehmer oder Innovator halten mag, einer der begnadetsten Rhetoriker unserer Zeit war, ist wohl unbestritten. Ich persönlich habe noch nie einen Menschen erlebt, der so souverän mit verbaler, aber vor allem auch nonverbaler Kommunikation auf der Bühne und in zahlreichen Interviews umgehen konnte. Gerade wenn man seine eigenen rhetorischen Fähigkeiten verbessern will, kann man von Meistern ihrer Zunft wie Steve Jobs viel lernen und manchmal auch einfach Dinge übernehmen – wenn man sie authentisch für sich adaptiert.

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Wie du von Steve Jobs Vorträgen lernen kannst

Ein sehr gutes Lernbeispiel ist dieser Mitschnitt einer Rede von Steve Jobs auf der „Worldwide Developer Conference“ im Jahr 1997. Steve Jobs war gerade nach seinem Rauswurf als CEO von Apple zurückgekehrt und das war eben nicht frei von Kritik. So auch nicht auf besagter Konferenz, wo Jobs in einer Feedback-Runde persönlich und sehr direkt kritisiert wurde. Jeder, der schon einmal einen Vortrag vor Menschen gehalten hat und nicht zu den absoluten Meistern der Rhetorik gehört, wird bei einer solchen Szene massiv zusammenzucken und wahrscheinlich heillos überfordert sein. Da hält man einen begeisternden Vortrag, eröffnet am Ende die Fragerunde, erwartet nichts Böses und dann das: Eine Person aus dem Publikum kritisiert einen und greift einen persönlich an. Puh! Was nun? So ist es Steve Jobs ergangen und er hat wieder einmal bewiesen, warum er einer der absoluten Meister der Rhetorik weltweit ist.

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Steve Jobs Antwort auf öffentliche Kritik

In dem Moment, in dem Steve Jobs ahnt, dass es jetzt unangenehm für ihn wird, hantiert er aktiv mit dem Hocker auf der Bühne, hält ihn lächelnd hoch und setzt sich nachdenklich darauf. Wow! Was für eine freche und gleichzeitig unglaublich souveräne Aktion. Was will Steve Jobs damit sagen? „Du willst mich kritisieren? Kein Problem. Ich gehe ganz entspannt damit um. Lass mich hören, was du zu sagen hast!“ Unmittelbar nach der öffentlichen Kritik an seiner Person bzw. seinem Ausscheiden als CEO von Apple macht Jobs nichts. Gar nichts. Er schweigt ganze 13 Sekunden! 13 Sekunden sind in einer solchen Situation eine unvorstellbare Ewigkeit und auch das zeugt von einer unglaublichen Souveränität. Er trinkt einen Schluck Wasser, wirkt etwas unsicher und nachdenklich – fast so, als hätte ihn die Kritik wirklich getroffen und er sei überrumpelt. Der Saal schweigt. Totenstille und Steve Jobs sitzt auf der Bühne, trinkt einen Schluck Wasser, blickt nach unten und schweigt. Dann ein kurzer Satz und wieder 8 Sekunden Pause. Die Spannung im Saal ist spürbar, auch nach so vielen Jahren dieses Auftritts. Und kurz darauf beginnt die „Steve Jobs Show“ in drei Phasen:

  1. Steve Jobs erhöht das Redetempo
  2. Steve Jobs arbeitet aktiv mit Gestik und Mimik
  3. Steve Jobs bewegt sich pausenlos auf der Bühne und arbeitet sehr bewusst mit seiner Körpersprache

Das allein ist schon eine Show für sich, und man muss überhaupt nicht des Englischen mächtig sein, um seine Souveränität auf der Bühne zu spüren. Soviel zur nonverbalen Präsenz von Steve Jobs, die sich auch in den Jahren nach der „Worldwide Developer Conference“ von 1997 in vielen Vorträgen wiederholen sollte. Aber die verbale Ebene dieses Vortrags von Steve Jobs ist nicht weniger beeindruckend. Tatsächlich folgt sie einem 5-Schritte-Muster, das psychologische Meisterklasse ist. Schauen wir uns also die inhaltliche Antwort von Steve Jobs direkt nach der Kritik an:

Schritt 1: Die Kunst, Kritik anzunehmen

Um effektiv mit Kritik umzugehen, insbesondere bei öffentlichen Auftritten wie Vorträgen und Präsentationen, ist es wichtig, eine offene und empfängliche Haltung einzunehmen. Zunächst ist es wichtig, aktiv zuzuhören und den Kern der Kritik zu erfassen, ohne vorschnell zu reagieren. Die Erkenntnis, dass jede Kritik einen wahren Kern enthalten kann, hilft, aus jedem Feedback zu lernen, unabhängig davon, wie es präsentiert wird. Der Unterschied zwischen konstruktiver und destruktiver Kritik sollte erkannt werden, wobei der Schwerpunkt darauf liegt, aus konstruktiver Kritik zu lernen und sich durch sie zu verbessern. Dabei ist es wichtig, eine persönliche Distanz zu wahren, um Kritik nicht als persönlichen Angriff, sondern als Chance für Wachstum und Verbesserung zu sehen.

Schritt 2: Technologie und Kundenerlebnis verbinden

Steve Jobs betonte, dass erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen mit dem Kundenerlebnis beginnen und rückwärts zur Technologie arbeiten. Es ist wichtig, die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe zu verstehen, damit die Technologie als Lösung und nicht als Ausgangspunkt dient. Produkte sollten so gestaltet werden, dass sie einen klaren Mehrwert bieten und gleichzeitig einfach und benutzerfreundlich sind. Durch die Konzentration auf das Kundenerlebnis können Unternehmen Innovationen schaffen, die nicht nur technologisch fortschrittlich, sondern auch für den Endverbraucher relevant und wertvoll sind.

Schritt 3: Die Wichtigkeit von Vision und Strategie

Eine klare Vision ist der Kompass, der Führungskräfte und Teams durch die unvermeidlichen Stürme von Kritik und Herausforderungen navigiert. Steve Jobs hat gezeigt, wie wichtig eine starke und überzeugende Vision für den Erfolg eines Unternehmens ist. Jede Entscheidung, jedes Produkt und jede Innovation muss diese Vision widerspiegeln. Anpassungsfähigkeit, ohne die Kernvision zu kompromittieren, ist dabei ebenso wichtig wie die klare Kommunikation dieser Vision gegenüber dem Team und den Stakeholdern. Letztendlich dient die Vision als Leitfaden, der hilft, fokussiert zu bleiben und Kritik im Kontext der übergeordneten Ziele zu bewerten und zu behandeln.

Schritt 4: Fehler eingestehen und daraus lernen

Die Fähigkeit, Fehler zuzugeben und aus ihnen zu lernen, ist eine der wertvollsten Lektionen, die wir von Steve Jobs lernen können. Wenn wir akzeptieren, dass Fehler unvermeidlich sind, können wir sie als wesentlichen Teil des Lern- und Wachstumsprozesses betrachten. Fehler fordern uns oft heraus, unsere Ansätze zu überdenken und zu verbessern. Offen über diese Fehler zu sprechen und die Lehren, die wir daraus gezogen haben, zu teilen, schafft eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens. Ein solches Umfeld fördert Innovation, indem es die Teammitglieder ermutigt, kreativ zu denken und Risiken einzugehen, ohne Angst vor einem möglichen Scheitern zu haben. Es ist wichtig, aus Fehlern zu lernen und sie als Chance zu sehen, unsere Produkte, Dienstleistungen und uns selbst zu verbessern.

Schritt 5: Unterstützung und Motivation des Teams

Der Erfolg eines Projekts oder einer Präsentation hängt in hohem Maße von der Unterstützung und Motivation des Teams ab. Steve Jobs betonte auch, wie wichtig es ist, das Engagement und die harte Arbeit des Teams anzuerkennen, insbesondere in schwierigen Phasen. Durch Anerkennung und positive Verstärkung können Teammitglieder motiviert werden. Offene Kommunikation und die Förderung von Teamarbeit sind entscheidend, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Es ist wichtig, das Team auf die Vision und die gemeinsamen Ziele zu fokussieren, um den Erfolg sicherzustellen.

Steve Jobs‘ Rhetorik-Meisterklasse: Lektionen im Umgang mit Kritik

Steve Jobs‘ Fähigkeit, mit Kritik umzugehen, seine Betonung auf Kundenerfahrung über Technologie, die Wichtigkeit einer klaren Vision und Strategie, das Lernen aus Fehlern und die Unterstützung sowie Motivation seines Teams sind fundamentale Lektionen für jeden, der seine rhetorischen Fähigkeiten und den Umgang mit Feedback verbessern möchte. Jobs zeigt, dass wahre Führungsstärke nicht nur in der Präsentation von Ideen liegt, sondern auch im Aufbau einer Kultur der Offenheit, der Innovation und des gegenseitigen Respekts. Sein Vermächtnis als Kommunikator und Leader bietet wertvolle Einsichten, wie man Kritik nicht nur übersteht, sondern daraus wächst und sie zum Antrieb für persönliche und berufliche Entwicklung nutzt.