Im Artikel „Wie Smalltalk gegen Redeangst helfen kann“ habe ich dir bereits einige Techniken an die Hand gegeben, um schneller und besser mit fremden Menschen ins Gespräch zu kommen. Im Wesentlichen geht es immer darum, die Angst vor dem freien Sprechen abzubauen. So gut Smalltalk dafür funktioniert, so problematisch kann es auch werden. Oberflächliche Gespräche mit Menschen führt man in der Regel nur in kleinen Gruppen, wenn überhaupt nur zu zweit. Bei einem Vortrag oder Workshop sind die Augenpaare, die auf einen gerichtet sind, deutlich zahlreicher und es geht ans Eingemachte. Und wie bei so vielen Dingen im Leben gilt auch hier: Übung macht den Meister.

Meine Empfehlung an dich lautet daher: Versuche, in möglichst vielen Situationen vor Menschen zu sprechen. Beginne ganz am Anfang mit eher kleinen Gruppen von 5 bis 10 Personen und steigere dich langsam, wenn deine Redeangst noch sehr präsent ist. Manchmal kann es auch helfen, gleich ins kalte Wasser zu springen und die Herausforderung einer Konferenzrede zu suchen. Es hängt ein wenig von deinem Mut und deiner Persönlichkeit ab, wie viel du dir von Anfang an zutraust. Sich langsam zu steigern ist der sicherste Weg, um sich an das freie Sprechen zu gewöhnen. Je früher du anfängst, desto besser.

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5 praktische Tipps, wie du reden üben kannst

5 praktische Tipps, wie du reden üben kannst

Im Folgenden möchte ich dir noch einige Ideen und Tipps geben, die du sowohl im privaten als auch im beruflichen Alltag anwenden kannst. Grundsätzlich gilt immer: Nutze so viele Gelegenheiten wie möglich, um vor Gruppen von Menschen zu sprechen, auch wenn es nur 3 Minuten sind. Es ist einfach eine Situation, die man sich zur Gewohnheit machen kann. Erinnere dich an eine Sache, die du zum ersten Mal in deinem Leben gemacht hast. Wie hast du dich vor dem ersten Tag in der neuen Arbeitsstätte gefühlt? Wie war die erste Verabredung mit deinem Partner oder deiner Partnerin? Wie hast du dich vor der ersten Fahrstunde gefühlt?

Gerade das letzte Beispiel zeigt sehr schön, wie aus einer anstrengenden und für manche vielleicht sogar beängstigenden Situation eine alltägliche Situation werden kann, über die man gar nicht mehr viel nachdenkt. Das erste Mal hinter dem Steuer eines Autos zu sitzen, war zumindest für mich persönlich eine sehr aufregende Sache, die mich viel Überwindung gekostet hat. Die Nacht vor der ersten Fahrstunde war dementsprechend kurz und wenig erholsam, was meine Aufregung am nächsten Tag noch steigerte. Das erste Mal Gas geben, den Blinker setzen, am Berg anfahren, überholen oder einparken: Alles fühlte sich irgendwie sehr herausfordernd an. Und heute? Heute fahre ich mehrere tausend Kilometer im Jahr und denke nur noch selten darüber nach. Es ist einfach zur Gewohnheit geworden.

Der erste Schritt ist bekanntlich immer der schwerste, aber wenn er einmal getan ist, wird er mit jedem weiteren Schritt leichter und schließlich zur vertrauten Gewohnheit. Genau darum geht es bei den folgenden 5 Tipps, wie du effektiv reden üben kannst. Setze einen Fuß vor den anderen, steigere dich und lass auch das freie Sprechen wie das Autofahren zur Gewohnheit werden. Vielleicht hältst du es jetzt noch für unmöglich, dass du einmal vor vielen Menschen frei und natürlich sprechen kannst. Eine gewisse Grundangst oder Nervosität wird vielleicht trotz viel Übung immer da sein. Aber du kannst sie durch selbstmotiviertes Training stark reduzieren und sogar Freude daran finden, wenn du es zulässt.

Was kannst du also tun, um deine Redeangst in den Griff zu bekommen? Im Folgenden möchte ich dir weitere konkrete und praktische Tipps dazu geben.

Tipp 1: Redeübung als Vortrag in der Schule oder Uni

Tipp 1: Redeübung als Vortrag in der Schule oder Uni

Schon in jungen Jahren kannst du dafür sorgen, dass dir das freie Sprechen keine Angst macht – ganz nach dem Motto „Früh übt sich“. Referate oder Kurzvorträge vor Mitschülern werden bereits in der Schule gehalten. Klassengrößen von ungefähr 20 bis 30 Personen entsprechen in etwa der üblichen Größenordnung bei Seminaren oder Workshops. Jedes Referat in der Schule ist also eine kleine Übung zur Überwindung der Redeangst.

An der Universität gibt es ähnliche Gelegenheiten, das Sprechen vor Menschen zu üben: Vorträge in Seminargruppen, die Präsentation einer Projektarbeit oder auch die mündliche Verteidigung in der Abschlussprüfung. All das sind Situationen, in denen man vor kleineren oder größeren Gruppen sprechen muss.
Nun scheint es unsinnig, einem Erwachsenen zu raten: „Halte in der Schule oder im Studium so viele Referate wie möglich“. Es geht aber darum, dass du verstehst, wie du viele Gelegenheiten im Alltag nutzen kannst, um das Sprechen vor Menschen zu üben. Bist du noch Schüler oder Student? Dann nutze jede Gelegenheit, um einen Vortrag zu halten. Bist du schon lange mit Schule und Studium fertig? Kein Problem, dann erinnere dich an diese Zeit zurück und frage dich ganz ehrlich, wie oft du eine solche Gelegenheit zum freien Sprechen genutzt oder vielleicht sogar hast verstreichen lassen. Wenn Letzteres der Fall ist, dann ist es an der Zeit, das nachzuholen. Die gute Nachricht ist, dass es noch unzählige Gelegenheiten gibt, Vorträge zu halten und die eigene Redeangst in den Griff zu bekommen.

Tipp 2: Rede auf der Familienfeier halten

Tipp 2: Rede auf der Familienfeier halten

Ob jung oder alt, jeder kennt die typischen Familienfeiern zu runden Geburtstagen, Hochzeiten oder Jubiläen. Mehrere Generationen kommen an einem Ort zusammen, um ein bestimmtes Ereignis zu feiern. Die einen lieben es, die anderen hassen es. Egal, ob du zur ersten oder zur zweiten Gruppe gehörst, es ist eine großartige Gelegenheit, an deiner Redeangst zu arbeiten. Ich wage zu behaupten, dass jede Familienfeier dir die Möglichkeit bietet, ein paar Minuten Aufmerksamkeit zu bekommen und zu den Anwesenden zu sprechen. Dabei spielt es keine Rolle, wie gut du dich mit den Anwesenden vor dir verstehst und ob dir alle sympathisch sind. Wenn du später auf einer Konferenz einen Vortrag hältst, wird das Publikum ebenfalls bunt gemischt sein.

Nutze also die Gelegenheit und bereite eine kleine Rede für das Geburtstagsjubiläum, das Brautpaar oder das 25-jährige Ehejubiläum vor. Sprich dich kurz mit den Organisatoren der Feier ab und nutze dann die Gelegenheit, deine Rede vorzutragen. Auch wenn es nur zwei Minuten sind: Es ist ein weiterer kleiner Schritt zu mehr Selbstvertrauen und weg von der Redeangst. Sogar Junggesellenabschiede oder Babypartys eignen sich dafür, auch wenn hier eher vertraute Menschen anwesend sind. Dennoch sind es einfach viele kleine Puzzleteile, die später in der Summe ein stimmiges Bild ergeben. Eine Rede vor 100 Hochzeitsgästen, von denen du viele nicht persönlich kennst, ist ein größerer Schritt, eine Rede vor 10 Freunden beim Junggesellenabschied ein kleinerer. Beides hilft dir, deine Redeangst zu überwinden.

Tipp 3: Redeübung als Ansage an der Supermarktschlange

Tipp 3: Redeübung als Ansage an der Supermarktschlange

Wer kennt das nicht: So lang wie der Tag war, so lang ist oft auch die Schlange im nächsten Supermarkt. Nach Feierabend noch schnell ein paar Kleinigkeiten eingekauft und schon ist man wieder völlig entnervt. Und das Beste: Von fünf Kassen sind nur zwei geöffnet, an denen mürrisch dreinblickende Verkäufer Wurst und Käse über den Scanner ziehen. Vor dir stehen zwei Schlangen mit je 15 Leuten, die mindestens genauso unzufrieden sind wie du. Alle sind genervt, aber keiner sagt etwas. Auch in dieser Situation kannst du an deiner Redeangst arbeiten. Du ahnst, was jetzt kommt, oder? Du musst der Spielverderber sein, der freundlich darum bittet, eine andere Kasse zu öffnen. „Entschuldigung, könnten Sie bitte noch eine Kasse öffnen?“ Die Hälfte der Leute vor dir sieht dich an, nur die beiden Verkäuferinnen nicht. „Entschuldigung? Hallo? Könnten Sie bitte noch eine Kasse öffnen?“ Und jetzt schauen dich auch die anderen Wartenden an. Das ist wahrscheinlich einer der kürzesten „Vorträge“, den du je halten wirst. Und so unangenehm diese Situation schon im Gedankenspiel ist, so sehr kann sie dir helfen.

Noch einmal zur Erinnerung: Vor dir stehen insgesamt 30 Personen. Eine Größe, die auch in Seminaren oft zusammenkommt. Natürlich ist es etwas völlig anderes, vor Seminarteilnehmern einen 30- bis 60-minütigen Fachvortrag zu halten, als vor fremden Menschen an der Supermarktkasse eine Ansage zu machen. Trotzdem haben beide Situationen eines gemeinsam: 60 Augenpaare sind auf dich gerichtet. Du bekommst die Aufmerksamkeit fremder Menschen. Genau das ist die Situation, vor der sich so viele Menschen fürchten. Aber mal ehrlich: Was passiert im schlimmsten Fall an der Kasse? Jemand aus den zwei Reihen vor dir schimpft zurück, du erntest genervte oder verständnislose Blicke. Na und? Im Gegenteil: Es stärkt dein Selbstvertrauen, das du später auf der Bühne dringend brauchst. Auch die Ansage an der Supermarktkasse ist wieder ein kleiner Schritt, den du gehen kannst. Es ist eine Frage der Überwindung und der Gewohnheit. Die Überwindung, sich vor fremden Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und sich damit „angreifbar“ zu machen, und die Gewohnheit, die Blicke auf sich zu spüren. Also sei das nächste Mal mutig und bitte um die Öffnung einer weiteren Kasse.

Tipp 4: Redeübung als Meetings und Präsentationen im Büro

Tipp 4: Redeübung als Meetings und Präsentationen im Büro

Abhängig von der Größe des Unternehmens gibt es viele Möglichkeiten, einen kurzen Vortrag zu halten. Je größer das Unternehmen, desto mehr Mitarbeiter sind in der Regel in Gruppenstrukturen organisiert. Regelmäßige Meetings sind vor allem in Konzernen an der Tagesordnung. Aber auch in vielen mittelständischen Unternehmen mit einer zweistelligen Mitarbeiterzahl gibt es Situationen, in denen Menschen zusammenkommen, um Dinge zu besprechen, zu planen oder auszuwerten. All das sind wiederum Gelegenheiten für dich, im Rampenlicht zu stehen. Und sei es nur für drei Minuten. Dabei geht es nicht darum, den überheblichen „Nerd“ zu spielen, der immer die Quartalszahlen präsentieren will. Es geht vielmehr darum, Redezeit zu ergattern. Schon die Frage des Chefs am Ende eines Meetings „Hat jemand noch Fragen?“ kann deine Chance sein, ein paar Worte zu sagen. Denk immer an kleine und große Schritte. Das wäre ein kleiner, aber weiterer Schritt weg von deiner Redeangst.

Scheue dich nicht, die Initiative zu ergreifen und selbst eine Versammlung einzuberufen. Auch in Betrieben mit nur 10 Mitarbeitern kannst du dir eine solche Möglichkeit schaffen. Stelle deinen Kollegen oder Teammitgliedern ein paar Minuten lang eine neue Geschäftsidee vor. Weise auf Schwierigkeiten oder Hindernisse in einem Projekt hin. Teile deine Gedanken über einen laufenden Kundenauftrag. Stelle die Ergebnisse deines letzten Projekts im offiziellen Teil der nächsten Betriebsfeier vor. Halte eine kleine Motivationsrede vor deinen Kolleginnen und Kollegen, wenn die Auftragslage wieder einmal erdrückend ist oder die Aufgaben schwierig sind.

Es gibt viele Gelegenheiten im Berufsalltag, bei denen du nach vorne treten und etwas mitteilen kannst. Natürlich solltest du dich darauf vorbereiten und die Gelegenheiten gezielt auswählen. Denk an deine Schulzeit zurück, als der Lehrer fragte: „Wer möchte sein Projekt vorstellen?“ und du dich wieder nicht getraut hast, die Hand zu heben und nach vorne zu gehen. Aber spätestens jetzt im Berufsleben kannst du das nachholen und solche Gelegenheiten nutzen. Denk daran: Jede kleine Präsentation ist ein wichtiger Schritt für dich.

Tipp 5: Frage aus dem Publikum

Tipp 5: Frage aus dem Publikum

Du bist wieder einmal auf einer Konferenz, einer Tagung, einem Seminar oder Workshop und am Ende des Frontalvortrags kommt die Standardformel: „Gibt es noch Fragen?“. Das ist der Moment, in dem du den Arm heben solltest. Je mehr Leute vor, hinter und neben dir sitzen, desto besser. Eigentlich kann man zu fast jedem Vortrag eine Anschlussfrage stellen und diese Gelegenheit solltest du nutzen. Im Durchschnitt hast du etwa 30 Minuten Zeit (so lange dauern die meisten Vorträge auf Konferenzen), um dir eine passende Frage zu überlegen. Bei Workshops und Seminaren ist Interaktivität oft auch während der laufenden Veranstaltung erwünscht und auch hier kannst und solltest du dich einbringen. Der Grund dafür ist einfach: Die Aufmerksamkeit ist für einen kurzen Moment ganz auf dich gerichtet. Das ist eine Situation, mit der du als Vortragender ohnehin konfrontiert bist. Du kannst also gleich bei der nächsten Konferenz damit anfangen.

Bei größeren Veranstaltungen mit einigen hundert Teilnehmern wird dem Fragenden aus dem Publikum auch ein Mikrofon gereicht, so dass alle Anwesenden und vor allem der Redner im Saal die Frage verstehen können. Dies ist auch eine gute Übung für dich, denn wenn du in ein Mikrofon sprichst, klingt deine eigene Stimme ungewohnt fremd und distanziert. Daran gewöhnt man sich allerdings recht schnell. Hinzu kommt das Gefühl, plötzlich von vielen Menschen angeschaut zu werden. Die Blicke der Menge zu spüren, ist auch etwas, das erst spannend und aufregend und dann fast alltäglich werden kann. Eine Frage aus dem Publikum zu stellen, ist also wieder ein kleiner Schritt weg von deiner Redeangst. Wenn du noch einen draufsetzen willst, dann stehe von deinem Platz auf und stelle deine Frage gut sichtbar für das gesamte Publikum stehend. Das zieht selbstverständlich noch mehr Aufmerksamkeit auf dich und kostet dich dementsprechend mehr Überwindung. Aber zum einen hilft es dir, deine Komfortzone bewusst zu verlassen und zum anderen wird es dir der Vortragende danken, der dich im Stehen viel besser wahrnehmen kann als im Sitzen.

Fazit: Oft und viel reden üben hilft effektiv um Redeangst zu überwinden

Diese fünf Tipps für tägliche Redeübungen sollen dir Möglichkeiten aufzeigen, wie du in alltäglichen Situationen mehr Selbstvertrauen gewinnst und dadurch Schritt für Schritt deine Redeangst in den Griff bekommst. Wenn du darauf achtest, wirst du im Alltag immer wieder Gelegenheiten finden, vor fremden Menschen zu sprechen. Ob es nur 15 Sekunden oder 15 Minuten sind, spielt dabei fast keine Rolle. Wichtig ist nur, dass du solche Gelegenheiten nutzt und nicht verstreichen lässt (denk an die Schule aus Tipp 1). Es geht bei dieser Übung nicht darum, ein „Marktschreier“ oder „Klugscheißer“ zu werden, der an jeder Supermarktkasse herumpöbelt und in Meetings immer das letzte Wort hat. Wichtig ist aber, dass du aus deiner Komfortzone herauskommst, deine innere Unsicherheit überwindest und in der passenden Situation bewusst mit lauter Stimme die Aufmerksamkeit und damit auch die Blicke der anderen auf dich ziehst. Am Anfang wird sich das sehr ungewohnt anfühlen. Aufregung und Scham sind häufige Begleiterscheinungen. Aber denk daran: Du wirst davon im wahrsten Sinne des Wortes nicht sterben. Du wirst keinen körperlichen Schaden davontragen. Im Gegenteil: Du wirst von Mal zu Mal selbstbewusster und sicherer. Jede noch so kleine Gelegenheit, zu sprechen und Aufmerksamkeit zu bekommen, wird dir helfen, deine Redeangst allmählich abzubauen.